Wo bitte geht es nach Atlantis? Über frühe Kulturen und Genetik

Quelle Pinterest- Doku- Sammlung zum Thema
Mit den enormen Datenmengen, die in den letzten Jahren aus früher getrennten wissenschaftlichen Forschungszweigen und weltweit erhoben werden, ergeben sich vielfältige Schlussfolgerungen über die tatsächliche Entwicklung des Menschen und seiner vielfältigen Kulturen. Zu den relevanten Disziplinen gehören z.B. Geologie, Paläontologie, Biologie - speziell Genetik, aber auch Linguistik und Soziologie. Im vorliegenden Buch Jean Mancos* stellt dieser die Ergebnisse dieser synchronisierten Forschungen in einer Kulturbetrachtung zusammen, die einen vielleicht zunächst befremdlich wirkenden Schwerpunkt auf Genetik und Sprachentwicklung legt. Beide Disziplinen können immer dann, wenn gravierende kulturelle, wirtschaftliche, rituelle Änderungen eintraten, die Frage beantworten „Spread by ideas or by people?“ - etwa durch die Datenerfassung der Knochenzusammensetzung oder durch die Analyse von Speiseresten an Geschirrfragmenten.

Ein Beispiel dazu sind die ersten Spuren von „Farming“ - im Sinne von Kultivierung von Boden und Sorten ab 9000 BC. Durch die überall erfassten und bereit gestellten Daten stellt sich beispielsweise heraus, dass die ersten Spuren haltbar gemachter Milch - Käseherstellung-, was das Halten von bereits kultiviertem Vieh nötig macht, in einen bedeutenden Mysterienort führen, der, nebenbei bemerkt, auf den kulturellen Landkarten von Rudolf Steiners Weltsicht meines Wissens nicht im geringsten auftaucht, nämlich Göbekli Tepe - im heute so bis aufs Messer bekämpfte Raum hinter Anatolien und vor der Levante. Diese uralte Kulturstätte wird - als eine in einer ganzen Reihe in diesem Raum- in den letzten Jahren in großem Ausmaß archäologisch erschlossen.

Einen Mysterienort kann man den Ort deshalb nennen, weil so quer durch das Buch, das übrigens glänzt in seinen Grafiken und Landkarten, so vieles gerade hier erstmalig - und in der Folge kulturstiftend- auftrat: Die erste megalithische Stele wurde vor kurzem in Göbekli Tepe entdeckt- datiert auf 9000 BC. Der megalithische Impuls war kulturell und religiös überaus bedeutend, und führte zu lebhaften Pilgerschaften über die Kontinente hinweg. In Göbekli Tepe wurde das Getreide optimiert, das Vieh durch Zucht zahm und für den Menschen produktiv entwickelt. Dann breitete sich dieses Wissen kulturstiftend, Menschen in bedeutend größerer Anzahl nährend, durch Siedlungen, Sprache, Weitergabe von Saatgut und religiöse Symbole über Anatolien Richtung Westen aus. Und ja, die Farmer kamen auch persönlich. In den Mitteleuropäern finden sich neben all den kulturellen und religiösen Impulsen aus dieser Region - ironischer Weise gerade aus einem Gebiet, das bis an das heutige Syrien reichte- auch sehr prägnante genetische Spuren. Wir stammen als Mitteleuropäer (mit Ausnahme von Letten, Dänen, glaube ich, und wahrscheinlich Bayern), insoweit wir aus Siedlern bestanden, von dort ab. Sie kamen und sie blieben.

Aber es gab tatsächlich eine Kultur - übergreifende, ziemlich genau datierbare Katastrophe**  6200 BC. Was da im Verlauf einer rapiden Erderwärmung und des Rückzugs der letzten Eismassen in Europa geschah, beschreibt Manco so: „the crisis that struck the region around 6200 BC. A far- distat event- a huge North American post-glacial lake burst into the Atlantic - shook the climate across the northern hemisphere“. Die Flutwelle, die aus einem Tsunami von an einer Eisblockade aufgetürmtem Schmelzwasser bestand, überflutete die Küsten bis tief hinein ins Mittelmeer. Der „atlantischen“ Katastrophe, die das Meerwasser dauerhaft um mehrere Meter anhob, folgten viele weitere: Ein rapider und schwer wiegender Umschwung des Wetters im zuvor kultivierten europäisch- anatolischen Kulturkreises zeigte, dass die entwickelten Pflanzen und Tiere den jahrzehntelangen Kälteperioden, Regen und Sturm nichts entgegen setzen konnten. Durch die Überschwemmung aller am Atlantik liegenden Anrainer kam eine riesige Völkerwanderung - nicht die erste übrigens - zustande, aber auch das Ende solcher Hochkulturen wie Göbekli Tepe, das aufgegeben wurde, weil das Weideland über weite Flächen verdorrt war.

Nein, Atlantis hat man nicht entdeckt, und der kulturell, genetisch, sprachlich und religiös inspirierende Impuls kam aus der entgegen gesetzten Richtung.

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*Jean Manco, Anchestral Journeys. The People of Europe from the first venturers to the Vikings“, London 2015
**im obigen Buch z.B. S. 82f